19.03.2019In der Ruhe liegt die Kraft
Unser Alltag wird immer schneller, lauter, kurzlebiger und leistungsorientierter. Gleichzeitig hat das Telefon als smartes Phone längst die Aufgabe des Blackberrys übernommen.
Anscheinend wurden die Metallkugeln, welche den Sklaven in den Staaten an die Beine gekettet wurden, damit sie nicht fliehen konnten, "Blackberries" genannt. Die Schulseelsorger der GDS 1, Christina Krause und Jörg Rinderknecht haben daher einen Raum geschaffen, um wieder zu Kräften zu kommen: Den Raum der Stille.

Wer ständig mit vielen Informationen überschüttet wird, dessen Stresspegel steigt. Im Zuge der Projektphase „ökumenische Schulpastoral“ bekamen die beiden Zuständigen für Schulseelsorge an der GDS 1 gemeinsam mit ihrem Schulseelsorgeteam die Möglichkeit, einen Raum als spirituellen Rückzugsort einzurichten. Mit finanzieller Unterstützung der Kirchen entstand so der „Raum der Stille“. Wer sich zurückziehen will, eben nicht zum Schlafen, sondern um zu innerer Stille zu gelangen, der kann jederzeit in diesen Raum.
In die eigene Stille hineinzufinden, müssen viele allerdings erst noch erlernen: Sich selbst wahrnehmen, ohne sich von Gedanken, Gefühlen oder Erwartungen ablenken und beeinflussen zu lassen – in manchen Schulen gibt es das sogar als Fach: „Achtsamkeit“. Das katholische Institut für berufsorientierte Religionspädagogik (KIBOR) spricht hier von spiritueller Selbstkompetenz. Es gibt viele ähnliche Wege, an dieser Kompetenz zu arbeiten: Autogenes Training, Meditation genauso wie Atemübungen.
Jörg Rinderknecht weiß aus eigener Erfahrung: "Quer durch die Bank merke ich ein zunehmendes Bedürfnis unserer Klassen nach Ruhe und Abschalten. Das ist nicht mit „chillen“ zu verwechseln. Daher gehört das Thema Achtsamkeit und Meditation fest zu meinem Unterricht. Natürlich gibt es auch Schüler, die es „komisch“ finden zu schweigen oder ihren Körper wahrzunehmen. Viele bringen aber auch schon eigene Erfahrungen mit, teilweise aus Therapien. Wer in seine Stille vordringt, erlebt eine ungeahnte Ordnung und Kraft.“
Rinderknecht macht daher gerne meditative Übungen, wodurch die Schülerinnen und Schüler der GDS 1 einen guten Umgang mit ihren Ängsten, inneren Antreibern, Richtern und Perfektionisten erlernen können. Wer das mitnimmt, kann vielem in seinem Leben positiv begegnen und seine Stressoren immer wieder abbauen. Sicher eine der besten Möglichkeiten, Aggressionen, aber auch Depressionen und Burnout vorzubeugen.
Richtig spannend wird es, wenn man Methoden wie das biblische Standbild mit Schülern umsetzt. Spätestens jetzt kann das Moment christlicher Gotteserfahrung hinzukommen. Anthropologische Grunderfahrungen können genutzt werden, um individuellen Haltungen, Sorgen und Hoffnungen einen Rahmen zu geben. Unklare Emotionen, Ängste, Sorgen und Traumata bekommen in einem geschützten Kontext Raum, so ist positive Verarbeitung möglich.
Aber auch kreative Bildprojekte können hier umgesetzt werden. Die Bilder aus einer Projektarbeit mit dem Thema „Zukunft“ sind dazu im Raum der Stille aufgehängt worden. Mit methodischen Anleitungen versehen, waren andere Klassen zur Besichtigung eingeladen und hatten die Chance, sich mit dem Sachverhalt auseinanderzusetzen.
Für Jörg Rinderknecht ist der Raum der Stille zu einem festen Bestandteil innerhalb seiner Unterrichtseinheiten geworden und wird so regelmäßig in den Unterricht integriert. Gleichzeitig ist das Ziel, ihn auch stärker außerunterrichtlich zu nutzen. Gerade in Prüfungszeiten wollen die Schulseelsorger den Raum anbieten und nutzen, damit Schülerinnen und Schüler vor ihrem großen Tag noch einmal Kraft tanken können.

Christopher Humke